ÜBER UNS
Ein einzigartiges Naturschutzgroßprojekt
Bergbau- und Eisenindustrie haben die Region zwischen Neunkirchen und Illingen über zwei Jahrhunderte hinweg geprägt. Sie waren nicht nur größter Arbeitgeber, sie haben mit ihrem Wirken auch die Landschaft völlig verändert. Nach ihrem Rückzug hinterließen sie sowohl in den Köpfen der Menschen als auch in der Natur ein Vakuum. Das Vakuum der Landschaft hat die Natur längst gefüllt. Sie schuf in einem natürlichen Prozess eine Industrienatur von ökologisch und ästhetisch hoher Qualität, die sich durch außergewöhnliche „Biologische Vielfalt“ auszeichnet. Diese Besonderheit gilt es zu wahren und zu entwickeln, vor allem aber auch ins Bewusstsein der Menschen zu bringen.
Bundeswettbewerb
Im September 2007 haben das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, heute Bundesministerium für Umwelt, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, heute Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Berlin den Bundeswettbewerb „Idee.natur – Naturschutzgroßprojekte und ländliche Entwicklung“ gestartet.
Der Wettbewerb hatte sich zum Ziel gesetzt, neue Impulse für die Konzeption von Naturschutzgroßprojekten zu setzen. In diesem Zusammenhang wurden die klassischen Themenschwerpunkte „Wälder“ und „Moore“ um das Thema „Urbane / industrielle Landschaften“ ergänzt.
Die Projektanträge sollten aufzeigen, dass die Gebiete bzw. Regionen geplanter Naturschutzgroßprojekte aus naturschutzfachlicher Sicht von gesamtstaatlicher Bedeutung sind und die Kriterien der Richtlinien zur Förderung von Naturschutzgroßprojekten erfüllen (Repräsentanz, Großflächigkeit, Naturnähe / Natürlichkeit, Beispielhaftigkeit, Gefährdung) – mit anderen Worten, hier geht es um das „Tafelsilber des Naturschutzes der Bundesrepublik Deutschland“.
Darüber hinaus sollten Leitvorstellungen zur weiteren Entwicklung der Projektgebiete formuliert werden, die das naturschutzfachliche Potenzial langfristig in Wert setzen.
Im Rahmen des zweistufigen Wettbewerbs wurden 122 Projektanträge eingereicht – zu den fünf Wettbewerbsgewinnern gehörte u.a. das Naturschutzgroßprojekt „Landschaft der Industriekultur Nord“ (LIK.Nord).
Es war das erste Naturschutzgroßprojekt in einem urban / industriellen Raum – eine Herausforderung für Fördergeldgeber und Projektträger gleichermaßen.
Das Projekt mit Gesamtkosten von rund 12 Mio. € wurde zu 75 % vom Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesamt für Naturschutz (BfN), zu 15 % vom Land, vertreten durch das Ministerium für Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz (MUKMAV) und zu 10 % vom Projektträger finanziert.
Der Zweckverband
Voraussetzung für die Teilnahme am Wettbewerb war die Institutionalisierung eines Projektträgers. Zu diesem Zweck hat sich im Juni 2009 der Zweckverband „Landschaft der Industriekultur Nord“ (LIK.Nord) gegründet, der zunächst aus den Städten Friedrichsthal und Neunkirchen, den Gemeinden Illingen, Merchweiler, Quierschied und Schiffweiler sowie der Industriekultur Saar GmbH (iks) bestand und in 2013 um den Landkreis Neunkirchen erweitert wurde.
Die Organisation des Zweckverbandes ist in seiner Satzung in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juni 2009 (Amtsblatt des Saarlandes, S. 886), geändert durch die Fassung in der Bekanntmachung vom 30. Januar 2014 (Amtsblatt des Saarlandes II, S. 99) festgelegt.
Die Organe des Zweckverbandes sind:
- die Verbandsversammlung
- der Verbandsausschuss
- die Verbandsvorsteherin / der Verbandsvorsteher
Die Organe des Zweckverbandes beraten und beschließen alle wichtigen Angelegenheiten des Zweckverbandes und des Projektes.
Zusammensetzung und Aufgaben der Gremien sind der Satzung zu entnehmen (s. Downloads).
Für das operative Geschäft sind die beiden Mitarbeiter einer eigens eingerichteten Geschäftsstelle zuständig:
Uli Heintz
Geschäftsführer / Projektleiter
Tel.: 0171 / 490 16 69
Dr. Anke Ben Ali
Projektassistentin
Tel.: 06821 / 290 27 48
Der Verbandsvorsteher, der turnusmäßig alle zwei Jahre aus den Reihen der Bürgermeister und des Geschäftsführers der iks sowie des Landrats des Landkreises Neunkirchen gewählt wird, repräsentiert den Zweckverband.
Sitz der Geschäftsstelle ist seit Juni 2016 der Bahnhof Landsweiler-Reden in der Bahnhofstraße 17, 66578 Schiffweiler.
Laufzeit des Projekts
Die Laufzeit der Förderung des Naturschutzgroßprojekts gliedert sich in zwei Phasen.
Phase I
Mit Zuwendungsbescheid vom 28.09.2009 wurde die Phase I des Projekts bewilligt – die Bewilligung erstreckte sich über den Zeitraum vom 25.06.2009 incl. einer Verlängerung bis zum 30.04.2012.
In der Phase I wurde zunächst das Projektmanagement (Geschäftsstelle) eingerichtet, anschließend erfolgte die europaweite Ausschreibung und Vergabe des Pflege- und Entwicklungsplans (PEPL).
In einer nicht geförderten Übergangsphase vom 01.05.2012 bis 28.10.2013 wurde der Projektantrag für die Phase II (Umsetzung) erarbeitet und den Fördergebern mit Datum vom 15.05.2013 vorgelegt.
Phase II
Mit Zuwendungsbescheid vom 25.11.2013 wurde die Phase II des Projekts bewilligt – der Bewilligungszeitraum erstreckte sich über den Zeitraum vom 29.10.2013 bis 31.12.2024.
Insgesamt standen für die Umsetzung des Projekts rund 12,5 Mio. € zur Verfügung, 90 % der Kosten trugen Bund und Land, 10 % der Zweckverband.
Die Mittel wurden im Wesentlichen zum Ankauf von Flächen und zur Umsetzung biotopeinrichtender Maßnahmen verwendet, aber auch zur Finanzierung der Geschäftsstelle und ihrer Mitarbeiter.
In der Phase II wurden die laut PEPL geplanten naturschutzfachlichen Maßnahmen weitestgehend umgesetzt.
Nach der Phase II muss der Projektträger – ggf. mit Unterstützung des Landes – sicherstellen, dass eine fachlich qualifizierte und mit ausreichend Mitteln ausgestattete Organisation die Qualität der Flächen und ihren Artenreichtum dauerhaft erhält.
Der Pflege- und Entwicklungsplan
Der Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) ist die fachplanerische Grundlage für die Realisierung des Naturschutzgroßprojekts und umfasst alle im Rahmen der Umsetzung erforderlichen Maßnahmen, um die gesetzten Ziele zu erreichen.
Nach einer ausführlichen Analyse der naturräumlichen Gegebenheiten und einer detaillierten Bestandserfassung und Bewertung von Biotoptypen sowie Pflanzen- und Tiertypen sowie einer Bewertung von Gefährdungen und Entwicklungsmöglichkeiten wurden Ziele und Maßnahmen für die Fördergebiete und gesamte Plangebiet formuliert, ergänzt durch Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Projektziele incl. eines Evaluierungs- und Monitoringkonzepts.
Das Projektgebiet
Die „Landschaft der Industriekultur Nord“ liegt im mittleren Saarland und damit im nördlichen Teil des saarländischen Verdichtungsraums und Kohlereviers. Sie ist Teil des Regionalparks Saar, der auf eine Initiative der saarländischen Landesplanung zurückgeht, die damit eine Qualitätsoffensive und eine Aufwertungsstrategie für die Stadtlandschaft verfolgt (PEPL, Band 1, S. 14).
Eingebettet in die Stadtlandschaft umfasst das Projektgebiet mit einer Fläche von 8.742 ha den Raum zwischen den Ortschaften Illingen im Westen, Hüttigweiler bzw. Stennweiler im Norden, der Kreisstadt Neunkirchen im Osten sowie Quierschied, Friedrichsthal und Heinitz im Süden. Das Fördergebiet umfasst eine Fläche von 2.423 ha, was einem Anteil von 27,72 % der Gesamtfläche entspricht (PEPL, Band 1, S. 14).
Aufgrund der altindustriell geprägten, dicht besiedelten Stadtlandschaft mit ihren vielfältigen Nutzungsansprüchen und Zerschneidungen war es nicht möglich, ein zusammenhängendes Fördergebiet zu definieren.
Es wurden daher 18 kleine Teil-Fördergebietsflächen ausgewählt, die in ihrer landschaftlichen und ökologischen Vielfalt die Lebensräume der urban-industriellen Landschaften widerspiegeln.
Dort finden alle Investitionen wie z.B. Grunderwerb und Maßnahmen statt.
Die 18 Fördergebietsflächen verteilen sich auf vier „Landschaftslabore“ wir haben sie später „Naturreviere“ genannt:
Forstwirtschaft und natürliche Prozesse (Wilder Forst)
Es handelt sich um 850 ha Wälder mit hohem Eichen-Buchen-Anteil, aber auch kleinflächige Erlen-Eschen- und Eichen-Hainbuchen-Wälder, die durch eine naturnahe Waldbewirtschaftung genutzt werden, bei der natürliche Prozesse das Vorbild sind. Höhere Holzvorräte (nicht genutzter Zuwachs) sowie ein höherer Anteil an Altbäumen („Methusalem-Bäume“) als üblich stellen den Lebensraum für z.B. Zwerghirschkäfer oder Beulenbockkopf und zahlreiche Spechtarten zur Verfügung.
Bergbaufolgelandschaft (Montana)
Das flächenmäßig größte Landschaftslabor ist durch urban-industrielle Lebensräume geprägt und bietet auf Extremstandorten wie Halden, Flotationsweihern und Industriebrachen zahlreichen, an solche Standorte angepassten „Rote-Liste-Arten“ wie der Wechselkröte und der Gelbbauchunke, aber auch der Blauflügeligen Sandschrecke und dem Silberfleck-Perlmuttfalter, um nur einige zu nennen, eine Lebensgrundlage. Hier galt es und wird es in Zukunft gelten, solche Pionierstandorte durch gezielte Eingriffe zu erhalten, aber auch die natürliche Entwicklung (Sukzession) zuzulassen.
Vogelzug und wilde Weiden (Saarengeti)
Im Zentrum dieses Landschaftslabors steht der ehemalige Absinkweiher Hahnwies, der durch großflächige Verlandungs- und Röhrichtzonen Lebensraum für Arten wie den Drosselrohrsänger bietet, aber auch Rastplatz für zahlreiche Zugvögel ist. Eine halboffene Weidelandschaft mit robusten Weidetieren (Taurus-Rinder, Wasserbüffel und Exmoor-Ponies), die ganzjährig auf den Flächen stehen, soll die naturnahe Entwicklung der gesamten umgebenden Landschaft fördern.
Mit dem Ende des Bergbaus und der Entlassung zahlreicher unter Bergaufsicht stehender Flächen – auch in den anderen Landschaftslaboren – ergab sich hier die einmalige Gelegenheit, die Entwicklung der Flächen aus naturschutzfachlicher Sicht zeitnah zu beeinflussen und zu gestalten.
Neuerfindung der Bergmannskuh (Bunte Wiesen)
Charakteristisch für dieses Landschaftslabor ist eine kleinteilige Agrarlandschaft mit Wiesen, Äckern und Fließgewässern, in der Rote-Liste-Arten wie das Nordische Labkraut, der Große Feuerfalter und der Steinkauz zu finden sind. Die artenreichen und mageren Wiesengebiete, insbesondere durch Nutzungsaufgabe oder Extensivierung, gehören zu den am stärksten vom Aussterben bedrohten Ökosystemen in Deutschland.
Sie sollten durch möglichst kleinteilige Nutzung, abwechslungsreiche Wiesen- und Weidenutzung, Reaktivierung der Streuobstnutzung und die Sanierung und Renaturierung von Gewässern erhalten werden.